Mousson-Katalog

Ein Meilenstein der Malakologie: Neue Publikation über Mousson-Sammlung

Forschung

In der neuen Publikation «The molluscan species (Gastropoda; Bivalvia) described by Albert Mousson (1805–1890) and his collection in Zurich» wurden die Typusexemplare des Schweizer Malakologen Albert Mousson erstmals mit Fotografien bebildert und mit den notwendigen Daten versehen. Nun kann die Sammlung international für Forschungen genutzt werden. Diese umfangreiche Arbeit wurde von Ruud Bank, Margret Gosteli und Eike Neubert – langjährigem Weichtier-Kurator des NMBE – durchgeführt.

«Eine Tierart zu erkennen, ist eine Kunstfertigkeit. Diese lernen wir beispielsweise in der Schule oder durch unsere Erfahrungen», erklärt Eike Neubert, ehemaliger Kurator Malakologie (Forschungsgebiet der Weichtiere) am Naturhistorischen Museum Bern. Für viele Menschen sei es einfach, einen indischen von einem afrikanischen Elefanten zu unterscheiden. Im Tierreich gäbe es jedoch viele schwer erkennbare Arten, die ein komplexeres Verfahren zur Unterscheidung benötigen. Um diesen Vorgang einfacher zu gestalten, wird in der Forschung von jeder Art ein sogenannter Typus beschrieben – also ein Tier, anhand dessen die grundlegenden Eigenschaften erkannt werden können. «Ein Typus ist ein sehr wertvolles Sammlungsstück. Im besten Fall werden Neufunde mit dem Typus abgeglichen, bevor sie als neu beschrieben werden», so Neubert. « Das Naturhistorische Museum Bern besitzt zirka 200 Primärtypen von Mollusken, das British Museum London zum Vergleich etwa 80‘000 Typen.»

Der Nachlass von Mousson

Albert Mousson (1805-1890) war ein Schweizer Physiker, Malakologe und Hochschullehrer. Zu Lebzeiten hat er Mollusken von Europa über die Kanarischen Inseln bis nach Indonesien und den Fiji Inseln beschrieben und war vor allem in den Jahren 1840 bis 1880 sehr aktiv mit seiner Forschung. Ungefähr 700 Schnecken- und Muschelarten hat er neu beschrieben. Sein Nachlass, die Molluskensammlung, befindet sich im Naturhistorischen Museum Zürich. «Der neue Katalog ist deshalb so wichtig, weil eindeutig klar wird, was genau Mousson gemeint hat», sagt Neubert. Er hat die Originalstücke der Sammlung alle fotografiert. Somit gibt es nun zu jeder beschriebenen Art Bildmaterial. Dies ist sehr hilfreich, denn bei seinen Beschreibungen arbeitete Mousson nur selten mit Bildern. Die Beschreibungen waren in Latein und manchmal auch in Französisch verfasst und nicht jedem zugänglich. Die nun vorliegende, englischsprachige Publikation macht die Sammlung von Mousson für Forschende aus der ganzen Welt verständlich. Neubert hat das Projekt 2003 mit Margret Gosteli, der früheren Kuratorin für Weichtiere, gestartet und nach rund 20 Jahren nun veröffentlicht.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse für Eike Neubert nach einer so langen Zeit der intensiven Befassung mit der Sammlung? «Spannend ist, dass die Forschenden von damals auch bereits ihre Netzwerke hatten. Sie betrieben genauso wie wir Networking, nur mit den Mitteln ihrer Zeit. So war es keine Seltenheit, sich Briefe oder Sammlungsexemplare hin- und herzuschicken.» Weiter erklärt Neubert den Wert der Zürcher Sammlung: «Moussons Sammlung ist zwar klein, aber durch viel Typusmaterial sehr bedeutend. Das Projekt hat viel dazu beigetragen, einfacher mit Sammlungen umzugehen.» Entgegen der Vorstellung einer verstaubten Wissenschaftssammlung weiss Neubert: «Sammlungen leben, sie werden dringend gebraucht und durch ständige Arbeit weiterentwickelt.»

Digitalisierung vorantreiben

Das Beispiel Mousson zeigt, wie solche Projekte die Digitalisierung der Typen vorantreiben, damit diese weltweit genutzt werden können. Darin hat Eike Neubert grosse Erfahrung. Am NMBE, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2022 beschäftigt war, erhielt er viele online Anfragen zur Bestimmung von Tierarbeiten, für die er ebenfalls auf zugängliches Typusmaterial angewiesen war. Um die Bestimmung von Schnecken der Öffentlichkeit zu erleichtern, unterstützte er seine Kollegin Estée Bochud bei der Entwicklung eines digitalen Schnecken-Schlüssels. Dieser ermöglicht es Laien, gesichtete Tiere im Garten oder auf der Strasse einfach über eine App zu bestimmen. Der Leitfaden ist unter www.schnecken-checken.ch für alle zugänglich.