Abenteuerlustige Reisende, Missionar:innen und Soldaten sammelten Ende des 19. Jahrhunderts die meisten heute bekannten und beschriebenen Schneckenarten aus Südostasien. «Dabei konzentrierten sie sich auf grosse, auffällige Schneckenhäuser. Auch heute finden wir in wissenschaftlichen und privaten Sammlungen überwiegend diese Schalen. Übersehen wurden dabei die zahlreichen kleinen Tiere, die ebenfalls in den Gebieten lebten», erzählt Dr. Adrienne Jochum vom Senckenberg Forschungsinstitut, dem Naturmuseum Frankfurt und dem Naturhistorischen Museum Bern.
Jochum hat mit einem internationalen Team aus Ungarn, den Niederlanden, der Slowakei, Thailand, Österreich und den USA insgesamt 42 neue Arten aus der Schneckengattung Angustopila neu beschrieben – insgesamt erhöht sich die Artenzahl der Gattung nun auf 53. Die Schnecken dieser Gattung gelten als die kleinsten Landschnecken der Welt. Die neuen Arten stammen aus 112 Proben, die in 223 Höhlen in China, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam genommen wurden. «Die kleinsten der von uns neu beschriebenen 42 Arten sind Angustopila maasseni und Angustopila somasaki mit nur 0,62 bis 0,67 Millimetern, die ‹grösste› Angustopila majuscula sp. nov. misst in ihrer Schalenhöhe 1,31 Millimeter», so Jochum. Die Form der Schalenöffnungen reicht von birnen- über nieren- bis hin zu eiförmig mit insgesamt acht verschiedenen Formen.
Die höchste Anzahl von Arten pro Standort lag in Nordvietnam. Dies deutet laut der Studie darauf hin, dass dort das Zentrum der Mikroschneckenvielfalt liegt. Drei Arten, Angustopila elevata, Angustopila fabella und Angustopila szekeresi, sind über mehrere hundert Kilometer verbreitet, während drei weitere der neu entdeckten Arten von zwei Standorten bekannt sind, die einige hundert Kilometer voneinander entfernt liegen. Alle anderen Schneckenarten weisen ein kleines Verbreitungsgebiet auf oder leben endemisch an einem einzigen Standort.
«Bei unserer umfangreichen Arbeit wurden fünfmal mehr Arten entdeckt als wir vermutet hätten. Es zeigt sich, dass diese winzigen Landschnecken in mehreren Höhlen in Südostasien leben. Mit der modernen Erforschung und der heutigen Mikroskoptechnik ist es uns möglich, eine ganz neue Welt mit einer erstaunlichen Vielfalt an Landschnecken zu entdecken», so Jochum.
Die Forschungsarbeit wurde vom Naturhistorischen Museum Bern (NMBE), der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA), dem Ungarischen Forschungsfonds und dem Nationalen Forschungsrat von Thailand unterstützt.