Anpasser & Alleskönner: Wilde Tiere in der Stadt (19. September 2001 – 29. Dezember 2021)

Naturhistorisches Museum Bern

Anpasser & Alleskönner: Wilde Tiere in der Stadt
NMBE/Rodriguez

Anstatt in Wald und Wiesen nach Mäusen und Würmern zu suchen, bauen wilde Tiere in Städten ihre Nester an lärmigen Kreuzungen, stöbern auf Trottoirs nach Essbarem, oder brüten in Blumenkisten auf dem Balkon. Dieses Verhalten stört unser Bild von Mutter Natur empfindlich und löst gemischte Gefühle aus. Die Ausstellung dokumentierte tierische Meister der Anpassung in unseren Städten.

Die in der Ausstellung gezeigten Tiere stehen stellvertretend für alle Karrieristen des Tierreichs: Fuchs, Steinmarder, Turmfalke, Saatkrähe und Kolkrabe haben etwas gemeinsam: Sie sind enorm anpassungsfähig und können ein vielfältiges Nahrungs- und Lebensraumangebot nutzen. Sie sind deshalb in der Lage, sich im Siedlungsgebiet zu behaupten und in der unmittelbaren Nähe des Menschen zu leben. Sie sind den Menschen bekannt als Tiere aus Wald und Wiese. Ihre Existenz als Tiere in der Stadt ist hingegen ein Naturphänomen, das für die wenigsten Menschen selbstverständlich ist.

Den Tieren, die den Sprung in die Zivilisation geschafft haben, ist die Diskussion um ihre Natürlichkeit herzlich egal. Die Gründe, weshalb sie die Stadt als Lebensraum gewählt haben, sind handfest und leicht nachvollziehbar: Reichlich Nahrung, unzählige Verstecke und geschützte Kinderstuben. Die wilden Tiere in der Stadt lernen schnell und können sich den unterschiedlichsten Lebensbedingungen anpassen. Sie fressen, was ihnen vor Schnauze oder Schnabel kommt, ziehen ihre Jungen an allen möglichen Orten auf und lassen sich durch die Anwesenheit der Menschen nicht abschrecken. Nur Tiere, die diese Eigenschaften haben, sind in der Lage, sich in Städten dauerhaft niederzulassen und zu vermehren.

Die Stadtoase

Auf dem Land ist im Verlauf der letzten Jahrzehnte die Nutzung der Landschaft immer intensiver geworden. Da ist schon lange kein Platz mehr für Hecken, für wilde Waldränder oder ungebändigte Bachläufe. Viele Tiere sind aber auf eine vielfältige Landschaft angewiesen, um genügend Nahrung und Verstecke zu finden. Wo Monokulturen dicht an dicht stehen, fehlen oft Wildpflanzen, die wiederum die Nahrungsgrundlage vieler Insekten sind. Also verschwinden auch die Tiere, denen in aus- oder eben aufgeräumten Landschaften die Nahrung, die Verstecke und die Plätze zur Jungenaufzucht fehlen.

Für manche Tiere ist dann die Stadt so etwas wie eine Oase in der Wüste. In der Stadt gibt es viele Grünflächen, die der Mensch nicht nutzen muss. Da sind Gärten, Hinterhöfe und Parkanlagen, Friedhöfe und Industrieareale. Manche sind sich selber überlassen, andere werden absichtlich immer mehr möglichst naturnah gelassen. Bei der Betreuung öffentlicher Anlagen wie Verkehrsinseln und Strassenböschungen wird heute bewusst viel weniger gedüngt und geschnitten. Man lässt Wildpflanzen wie Wiesensalbei und Wegwarte an Standorten wachsen, wo früher mit viel Aufwand empfindliche Rosenrabatten oder Rasen künstlich am Leben erhalten wurden. In der Stadt gibt es so plötzlich Nischen, die in der Landschaft draussen fast nicht mehr vorhanden sind. So kann es vorkommen, dass in einer Stadt mehr Tierarten leben als in den umliegenden Agrarwüsten.